
No. 12 – das Betthupferl aus Folge #12
27. Februar 2025No. 13 - Das Betthupferl aus Folge #13
Von Christian Topel
Sebastian steht auf einem Hügel, der eine Lichtung überragt.
Ringsherum winden sich gigantische Bäume in den Nachthimmel. Am Firmament pappt wie ein ausgewaschener Aufkleber der Vollmond, der die Szenerie in ein fahles, silbriges Licht taucht. Eine gespenstische Szenerie:
Unten, auf der Lichtung, tummeln sich Menschen in seltsamen, bodenlangen Gewändern. Sie schlurfen langsam, wie in Trance, im Kreis. Dabei folgen sie den Spuren eines Symbols, das offenbar in den Erdboden gebrannt wurde. Wie es scheint, vollziehen sie ein archaisches Ritual. Während sie ihren Weg abschreiten, summen sie einen monotonen Singsang. Sie schaukeln mit den Oberkörpern hin und her, und ihre Schatten ahmen den ungelenken Tanz gehorsam nach.
Apropos Schatten, denkt Sebastian: Wo ist meiner eigentlich? Er blickt sich um, kann sein schwarzes Ebenbild aber nicht entdecken. Und noch etwas fehlt: seine Klamotten. Splitterfasernackt steht er hier in dieser ihm völlig unbekannten Wildnis. Reflexartig schnellen seine Hände vor seinen Bastiwutz, als ihn eine weitere Erkenntnis ereilt: Kurioserweise friert er gar nicht.
“Okay, ich träume”, murmelt er erleichtert. Dann kann er sich das Schauspiel ja ganz in Ruhe anschauen. Chips wären schön, aber gut, man kann nicht alles haben. Als er sich wieder auf die Gestalten da unten in der Senke konzentriert, entdeckt er ein paar Objekte: Eine schwarze, von Rissen durchzogene Steintafel mit fremdartigen Zeichen. Eine metallene Schale, aus der sich heller Rauch kräuselt. Eine gewaltige Kette, die im Mondlicht bläulich leuchtet. Und ein Dolch, mit einer gezackten Klinge. Als ein Mann beginnt, die Zeichen von der Tafel in für Sebastian unverständliche Worte zu übersetzen und sie laut in den Wald zu rufen, erzittert leicht der Boden. Ein geisterhafter Wind rauscht durch die Wipfel des Waldes, und die Stimmen der Versammelten werden lauter. Sebastian kneift die Augen zusammen. Was tun die da genau? Eine Frau lässt ihre Robe zu Boden gleiten. Man legt ihr die Kette um den Körper.
„Aha!“ denkt Sebastian, „magische Lockmittel. Bannkreis, sowas in der Art. Gut merken, gut merken, das könnte Snørres interessieren.“ Auf einmal tritt ein Mann vor, schnappt sich den Dolch und schneidet der gefesselten Frau die Kehle durch. Ihr Blut fangen sie in der Schale auf. Der Gesang steigert sich zu einem markerschütternden Crescendo – dann fällt die Frau zu Boden und urplötzlich tritt eine unnatürliche Ruhe ein. Sogar der Wind steht still. Aus dem Wald schweben durchscheinende Schemen in Richtung der Opferstätte. Erst vereinzelt, dann immer mehr. Dutzende, hunderte. Als einer der Schemen mitten durch Sebastian gleitet, schreit er panisch auf.
Depp, denkt er, jetzt scheißt du dich vor einem Alptraum ein wie so ein Kleinkind! Da drehen sich die Gestalten auf der Lichtung um. Sie blicken ihn unverwandt an. Sebastian erstarrt, als der vermeintliche Anführer die Hand hebt, auf Sebastian deutet und etwas ruft, das klingt wie das Husten eine Hyäne. Als die ganze Meute losstürmt, reißt es Sebastian aus dem Schlaf. Sein Herz überschlägt sich. Sein Atem rast.
Der Vollmond linst durch das Schlafzimmerfenster. Sebastian liegt im Bett, nackt, aber Zuhause. In Sicherheit. Und neben ihm: Karin, die ihn aus sorgenvollen Augen ansieht.
„Sebastian“, flüstert sie sanft und legt eine Hand auf seine Brust, „du hast schlecht geträumt. Kannst du dich an den Traum erinnern?“ Sebastian spürt einen kühlenden Schweißfilm auf seiner Haut. Im schummrigen Mondlicht sieht Karin irre verführerisch aus, ihre Haut glänzt, ihr Haar fällt weich über die Schultern. Sebastian lächelt.
„Ich erzähl’s dir morgen“, sagt er, “jetzt habe ich eine viel bessere Idee”. Karin grinst und lässt zu, dass sich Sebastian eng an sie schmiegt. Mit offenbar hellwachem Bastiwutz voraus.
„Glaub mir Sportsfreund, dass willst du nicht”, säuselt ihm Karin ins Ohr.
„HEILIGE SCHEI… SNØRRE?!“, kreischt Sebastian und katapultiert sich fast aus dem Bett. Karin kichert.
„Sorry Kumpel, das musste sein, quasi Ahnenforschung. Jetzt erzähl schon, jedes Detail könnte wichtig sein!“
Sebastian zieht die Decke hoch. Er ist sich ziemlich sicher, dass er a) nie wieder schlafen möchte, und b) schon gleich gar nicht mir Karin!