No. 2 – das Betthupferl aus Folge #2
30. September 2024No. 4 – das Betthupferl aus Folge #4
28. Oktober 2024No. 3 - Das Betthupferl aus Folge #3
Von Christian Topel
„Ich, ein vorlautes Mundwerk?”...
Die gesamte Zugfahrt über hatte der Vorwurf aus dem Munde des Routers in Sebastian Brettschneider rumort. Einerseits, weil ein Router genauso wenig wie eine Kaffeemaschine einen Mund besitzt und somit laut sämtlichen, Sebastian bekannten Naturgesetzen nicht des Sprechens mächtig sein dürfte; andererseits, weil dieses vermeintlich allzu vorlaute Mundwerk, so jedenfalls hatte es ihm der morgendliche Quälgeist erläutert, in einen Fluch gemündet war, der Sebastian von diesem Tage an in Form ebenjener krächzenden, ihn herumkommandierenden Stimme heimsuchen werde.
Strenggenommen gehörte diese Stimme wohl keinem Quäl-, sondern einem sogenannten Plappergeist, wie Sebastian nun in Langenscheidts Lexikon der paranormalen Phänomene nachliest. Die Bibliothekarin hatte ihn angeschaut, als habe er nicht mehr alle Tassen im Schrank, als er nach dem Werk fragte. Dabei hatte er der streng aus ihrer Hornbrille blickenden Dame den wahren Beweggrund für seine Recherchen gar nicht erst mitgeteilt. Um 13 Uhr stehen die Kinder auf der Matte, mit knurrenden Mägen, da kann sich Sebastian jetzt nicht der Gefahr aussetzen, einer, womöglich gar gefährlichen, Geisteskrank bezichtigt zu werden und einer herbeigerufenen Polizeistreife oder einem ärztlichen Notdienst (oder wer auch immer anrückt, wenn ein vermeintlich Wahnsinniger sein Unwesen treibt) erklären zu müssen, dass man vor ein paar Stunden ein ernstes Gespräch mit dem einen oder anderen Haushaltsgerät geführt habe und infolgedessen nun herauszufinden gedenke, wie man diesen wirklich nervtötenden Fluch wieder loswerde – am besten, bevor die Gattin etwas von der Misere mitbekommt und ihn vor die Tür setzt, weil Karin sicherlich nicht mit einem halluzinierenden Hallodri unter einem Dach wird wohnen wollen.
Und für einen halluzinierenden Hallodri wird sie ihn zwangsläufig halten, wie Sebastian verzweifelt realisiert, nachdem er den Artikel über die Plappergeister von vorn bis hinten genauestens studiert hat. Diese Mistviecher sind nur von der heimgesuchten Person zu hören. Und sie können in jeden Gegenstand und jeden Menschen fahren, mit dem die heimgesuchte Person gerade Kontakt hat.
„Ein ganz schöner Schlamassel, in das du dich da hineingeritten hast, hm?!“, zwitschert die Bibliothekarin, die urplötzlich neben Sebastian steht. Erschrocken klappt er das Lexikon zu und sieht nach oben. Die gut und gern 60 Jahre alte Dame fasst sich an ihr Brillengestell, schiebt es auf die Nasenspitze und sieht ihm über die Gläser hinweg tief in die Augen. Als Sebastian gerade fragen will, ob er etwas falsch gemacht hat oder sonst irgendwie behilflich sein kann, zwinkert ihm das Muttchen zu und leckt sich dabei lasziv über die Lippen.
„Oh Gott, nicht hier!“, ruft Sebastian.
„Psssssssscht!“, zischen ihm die anderen Besucher zu, während die greise Bibliotheksangestellte frech grinst. Als sie beginnt, genüsslich an ihrem Zeigefinger zu lutschen, springt Sebastian auf. Er wirft dem Plappergeist das Lexikon in die Arme und stürmt Richtung Ausgang. Ein letzter schneller Schulterblick treibt Sebastian endgültig die Schamesröte ins Gesicht.
Den Anblick wird er nie wieder vergessen. Gut und gern 10 kopfschüttelnde Menschen blicken ihm nach, und inmitten der fassungslosen Meute thront eine Greisin, die ihm Kusshände hinterherschickt. Da fällt gottlob die schwere Holztür zu. Sebastian will einfach nur weg. Am besten nach Hause, und er braucht einen Plan. Schnell!