No. 2 – das Betthupferl aus Folge #2
30. September 2024No.1 - Das Betthupferl der ersten Folge
Autor: Christian Topel
Sebastian Brettschneider schlurft durch die Küchentür. Wie es sich für einen Hausmann gehört, steht er werktags vor Karin und den Kindern auf, um das Frühstück zuzubereiten.
Während andere eine sogenannte Morgenroutine pflegen (sich vitamingeil einen Smoothie auspressen oder achtsam atmend eine Einheit Yoga absolvieren – oder was auch immer Menschen mit eigenständig in Schwung kommendem Kreislauf halt so tun nach dem Aufstehen),versucht Sebastian einfach nur den Weg zwischen Schlafzimmer und Koffeinquelle halbwegs unverletzt zu überstehen. Eine Selbstverständlichkeit ist das nicht! Es gilt zunächst, traumtrunken eine lebensgefährlich steile Treppe hinabzusteigen, den Flur zu durchqueren und die Kücheninsel zu umschiffen – und das barfuß, ausgerüstet lediglich mit dem im Halbschlaf über die Schultern geworfenen Bademantel.
Während Sebastian nach dem Lichtschalter tastet, baumeln zwischen seinen Beinen ... die beiden losen Enden des Frotteegürtels. Ganz ehrlich: Wer beherrscht um diese Uhrzeit einen Knoten?!
Was Sebastians Gliedmaßen ganz ohne Beteiligung seines noch schlummernden Gehirns beherrschen, sind die nun folgenden, jeden Morgen gleichen Handgriffe: Wasser für drei Tassen in die Kaffeemaschine füllen, eine Filtertüte auseinanderfalten und einsetzen, die Blechdose mit dem Dallmayr Prodomo aus dem Schrank holen, vier gehäufte Esslöffel in den filterbewährten Plastikschlund schaufeln, Klappe zu, theoretisch Knöpfchen drücken. Doch bevor der Finger an diesem Morgen seinen Dienst tun kann, vernimmt Sebastian eine Stimme:
“Scheint, als könntest ihn heute a bisserl stärker brauchen.”
Stimmt eigentlich, denkt sich Sebastian und legt etwas Pulver nach.
“Jaaa, so ists gut”, lobt die Stimme. Zufrieden schubst Sebastian den Schalter auf on, greift sich seine Lieblingstasse (die sich ihren privilegierten Status einzig und allein dadurch verdient hat, dass die Kinder ihre grinsenden Konterfeis darauf drucken ließen und ihm das Ding zum 30. schenkten) und stellt sich, wie jeden Morgen, ans Fenster. Von hier aus starrt er hinaus in die heraufziehende Dämmerung und wartet darauf, seinen müden Lebensgeistern endlich die ersehnte Ladung Koffein einverleiben zu können. Da dringt es endlich zu ihm durch.
“Moment, wer hat das gesagt?”, fragt er.
“Na ich, Du Pfannakuacha, du ungeduschter”, antwortet die Kaffeemaschine.
Entsetzt starrt Sebastian das offenbar sprechende Gerät an.
“Is was?”, fragt es.
Sebastian schleicht vom Fenster zurück zur Küchenzeile und stupst die gläserne Kanne an.
“Hihihi, hör auf, das kitzelt doch”, kichert die Kaffeemaschine.
“Das gibts nicht!”, sagt Sebastian.
“Und wie es das gibt”, antwortet die Kaffeemaschine.
“Ja, aber – also, bist du sowas wie dieser Bosch?”
“Ein Bohrer? Hams dir ins Hirn gschissn?”
“Nein, ein Kühlschrank”, stellt Sebastian richtig. Und weil die Kaffeemaschine wirkt, als würde sie dir Stirn runzeln, ergänzt er: „Dieser sprechende Kühlschrank von Axel Hacke, dem Kolumnisten aus dem Magazin der Süddeutschen Zeitung. Der hieß Bosch. Hätte doch sein können, dass Ihr verwandt seid!?”
Sebastian bückt sich und beäugt seinen Gesprächspartner von allen Seiten. Entdecken kann er nichts, was er nicht schon tausendmal gesehen hätte.
“Erstens”, erklärt die Kaffeemaschine, “ist es unhöflich, jemandem so auf die Pelle zu rücken. Zweitens war dieser Bosch ein kolossaler Klugscheißer. Hör ich mich an wie ein Klugscheißer?”
“Najaaa”, setzt Sebastian an, doch die Kaffeemaschine grätscht beherzt dazwischen.
“Vorsicht, mein Freund, da haben sich schon ganz andere die Zunge verbrannt!”
"Ja, passiert mir ständig”, sagt Sebastian und wedelt mit der Grinsekopftasse vor der Kaffeemaschine herum. Irgendwo, vermutet er, werden da wohl Augen sitzen.
“Ich weiß”, sagt die, “die hellste Kerze auf der Torte warst du noch nie.”
“Guten Moooorgen”, flötet es in diesem Moment aus dem Hintergrund.
“Halt bloß die Fotzn, du freches Luder”, raunzt Sebastian in Richtung Kaffeemaschine.
“Sebastian!?!”, ruft Karin, die in der Küchentür erstarrt.
Erschrocken dreht sich Sebastian um.
“Papaaa”, plärren die Kinder, während Karin versucht, ihnen gleichzeitig Augen und Ohren zuzuhalten.
“Hey Ihr Zuckermäuse”, stottert Sebastian und schließt hastig den Morgenmantel. “Ihr werdet es nicht glauben, aber die Kaffeemaschine spricht!” Er wendet sich dem Gerät zu.
“Los, zeigs ihnen!”
Doch die alte Melitta dampft und gurgelt und zischt nur, wie man es von ihr erwartet.
“Kinder, geht doch schon mal ins Bad. Mama und Papa müssen kurz was besprechen”, sagt Karin.
“Och Menno”, murrt der Nachwuchs, trollt sich aber zurück nach oben.
Und Sebastian Brettschneider schwant, dass ihm gleich etwas ganz anderes eingeschenkt werden wird als eine schöne, heiße Tasse Kaffee...